ANJA UND MEINOLF THIES IM INTERVIEW: "Hall of Fame"-Betreiber über Kino-Abitur, Sammelleidenschaft und ihre Strategie

Von Frank Jürgens

Erfolgreiche Kinobetreiber: Meinolf und Anja Thies, die vor wenigen Wochen die Hall of Fame eröffnet haben.

Osnabrück. Das Unternehmerehepaar Anja und Meinolf Thies "sammelt" und betreibt erfolgreich Kinos. Nach der Filmpassage eröffneten sie in Osnabrück auch die Hall of Fame. Im Interview verraten sie nicht nur, wie sie zu Kinobetreibern geworden sind sondern gewähren auch Einblicke hinter die Kulissen ihres Kinobetriebs.

Am frühen Morgen muss sich Anja Thies in Essen einer Not-OP beim Zahnarzt unterziehen. Mittags erscheint sie dann wie geplant mit ihrem Mann Meinolf Thies zum Interviewtermin in der neu eröffneten Osnabrücker Hall of Fame – beinahe so, als wäre nichts gewesen. Im Interview gewähren die beiden Unternehmer, die neben der Hall of Fame und der Filmpassage in Osnabrück noch sechs weitere Multiplexkinos in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen betreiben, einen offenen Einblick hinter die Kulissen ihres Kinobetriebs.

Herr und Frau Thies, sie haben kurz vor Weihnachten in Osnabrück die Hall of Fame eröffnet. Können Sie schon eine erste Bilanz ziehen?

Meinolf Thies (MT): Ja, können wir.

Anja Thies (AT): Wir sind zufrieden. Wir sind gut gestartet. Wir sind natürlich auch mit einem tollen Film gestartet, mit Star Wars 9, und hatten schon am ersten Tag sehr viele Gäste hier.

Die Bauarbeiten gingen ja ziemlich schnell voran.

MT: Ja, da kann ich einen guten Vergleich ziehen. Wir haben zu Hause einen circa 15 qm großen Wintergarten an unser Wohnzimmer geflanscht. Das hat länger gedauert, als bei diesem Kino 4700 qm umzubauen. Die Truppe der einzelnen Gewerke, die hier beteiligt waren, die haben wir einfach topp ausgesucht, die haben sich wunderbar ineinander und miteinander abgestimmt.

Wann und wie sind Sie eigentlich darauf aufmerksam geworden, dass das vormalige Cinestar ein Übernahmekandidat sein könnte.

AT: Von Anfang an eigentlich.

Von Anfang an heißt ab...?

AT: Seit der Übernahme der Filmpassage im Jahr 2012. Wenn man dann am Osnabrücker Hauptbahnhof ankam und am ehemaligen Cinestar vorbeikam, dann dachte man schon, ja, ist ja schon ein schönes Gebäude, was könnte man daraus nicht alles machen. Aber wenn man dann natürlich liest und sieht, was das Cinestar alles nicht aus diesem Gebäude gemacht hat, das war dann ziemlich schade. Und dann haben mein Mann und ich relativ schnell entschieden, zu schauen, wann der Mietvertrag ausläuft und sind auf den Vermieter zugegangen.

MT: Wir haben die Stadt Osnabrück eigentlich erst durch die Eröffnung der Filmpassage kennengelernt und waren positiv erstaunt. Vor allen Dingen auch erstaunt darüber, wie cinephil diese Stadt ist. Osnabrück hat eine Leinwand weniger als unsere Heimatstadt Essen, aber Essen hat dreieinhalb mal so viele Einwohner.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, aus dem Kino am Bahnhof nun ein Luxuskino zu machen?

AT: Durch die Abgrenzung zur Filmpassage.

MT: Es war uns schon wichtig, dass wir am Ende mit zwei verschiedenen Kinokonzepten an den Markt gehen. Und man muss auch sagen, wenn man sich so landauf, landab die Kinolandschaft anschaut – die Leute möchten es heute bequem, luxuriös, sauber und sicher haben.

AT: Deshalb schulen wir unser Personal auch. Unser Personal muss das sogenannte „Kino-Abitur“ machen. Das ist ein computergesteurtes E-Learning-Tool zu gesetzlichen Dingen wie auch kinospezifischen Fragen, und erst, wenn die Bewerber mindestens 80 Prozent erreicht haben, werden sie dann hier beschäftigt.

Wann und wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, Kinobetreiber zu werden?

MT: Ich war in meinem ersten Leben Bankkaufmann, habe fünf Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Dann suchte die UCI, die zu den ersten gehörten, die Multiplexkinos nach Deutschland brachten, Personal fürs Management in Hürth bei Köln.

AT: Ich habe zunächst ganz klassisch Industriekauffrau gelernt. Mein Mann, wir waren damals noch nicht verheiratet, hatte sich damals selbstständig gemacht und suchte jemanden, dem er vertrauen kann. Er hatte damals schon eigene Kinos. Das habe ich mir dann zunächst drei Jahre lang als stellvertretende Geschäftsführerin angeschaut. Ich habe mich dann in die Firma eingekauft, und seitdem „sammeln“ wir Kinos.

Zu Ihrer Strategie gehört es, Kinos glückloser Veranstalter zu übernehmen, zu renovieren und dann erfolgreich neu zu betreiben. Was machen Sie anders, besser als Ihre glücklosen Vorgänger?

AT: Wir machen das lokal. Wir kümmern uns vor Ort darum. Das ist der Riesenunterschied. Wir haben uns Osnabrück immer sehr intensiv angeguckt. Auch wenn wir nicht hier wohnen, sind wir immer sehr tief in das lokale Leben in Osnabrück eingetaucht.

Filme zeigen alleine reicht heute nicht mehr. Auch Ihre Kinos setzen vermehrt auf Event-Charakter. Sie haben jetzt in der Hall of Fame beispielsweise die Reihe „Vino & Kino“ gestartet. An wen wendet sich dieses Angebot?

AT: An unsere Zielgruppe, muss man ganz klar sagen. An Leute, die gepflegt einen guten Wein trinken, aber auch noch einen guten Film sehen, sich unterhalten und austauschen wollen.

MT: Auch an die Freunde des gehobenen Weines. Wir machen da schon Vorgaben. Da gibt es keinen Billigwein. Wir wollen schon, dass der Wein bei der Veranstaltung professionell präsentiert wird, dass es jedes Mal ein anderer Wein ist, weiß wie rot. Unser Kooperationspartner versucht auch, das Weinangebot auf das Land, aus dem der Film kommt, auszurichten.

Könnten Sie sich eigentlich vorstellen, zumindest in der Hall of Fame große Streaming-Produktionen wie „The Irishman“ zu zeigen?

AT: So lange wir es verhindern können, mit Sicherheit nicht! Das ist nach wie vor ein Konkurrenzprodukt zu uns.

MT: Disney wächst gerade zu einer Größe heran, die nicht ungefährlich ist. Und wenn Sie Netflix wie im Falle von „The Irishman“ erlauben, die Kinoware schon nach zwei Wochen zu streamen, dann haben Sie keine Argumentation mehr, zu begründen, warum Sie beispielsweise die „Eiskönigin“ bis zu sechs Monate exklusiv im Kino spielen wollen, bevor die nächste Auswertungsstufe anfängt.

Haben Sie vielleicht einen Schlusssatz für unsere Leser?

MT: Liebe Osnabrücker – Kino gibt es nur im Kino!


Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung / Foto: Gert Westdörp