Kinobetrieb am Hauptbahnhof geht weiter: Aus dem Osnabrücker Cinestar wird die HALL OF FAME

Das Geheimnis ist gelüftet: Nachdem das Cinestar am Osnabrücker Hauptbahnhof am vergangenen Wochenende die Türen schloss, hat der Eigentümer der Immobilie nun einen Nachfolger für das Kino präsentiert. Die Betreiber sind in Osnabrück keine Unbekannten.

Es war fast schon eine filmreife Vorführung für die Pressevertreter am Montagnachmittag. Der Eigentümer der Immobilie, das Solinger Unternehmen Bark Retail GmbH, hatte in einen der seit vergangener Woche leeren Kinosäle im Komplex am Osnabrücker Hauptbahnhof geladen. Vier Barhocker waren vor der dunklen Projektionsfläche abgestellt, zwei Plätze blieben zunächst frei.

Filmreife Vorstellung

Für die Präsentation der neuen Mieter in der Immobilie hätte nur noch ein Spot gefehlt, doch auch so war genug Drama im Spiel: Ab sofort übernehmen Anja und Meinolf Thies das Ruder im Multiplexkino am Theodor-Heuss-Platz. Das Paar ist alles andere als unbekannt in Osnabrück. Im Mai 2012 tauchten die beiden das erste Mal auf der Osnabrücker Bildfläche auf, als sie die Filmpassage in der Johannisstraße übernahmen. Heute hat sich das Kino wieder fest in der Osnabrücker Kinoszene etabliert, auch weil das spezielle Konzept des Standorts funktioniert. Das Ehepaar Thies fand dort die richtige Mischung aus nötigen Innovationen und kreativen Einfällen.

Jetzt also der nächste Schritt: In den kommenden Monaten wollen die neuen Betreiber nach eigenen Angaben einen hohen siebenstelligen Betrag in das Kino am Hauptbahnhof stecken. Die ersten Filme in neuer Umgebung sollen dann möglichst zu Weihachten abgespielt werden – traditionell die wichtigste Zeit für Kinobetreiber. „Mit dem neuen Teil von Star Wars zu starten, das hätte schon etwas“, sagte Anja Thies während der Pressekonferenz.

Die Journalisten gaben sich am Montag quasi die Hand mit den Handwerkern, die umgehend mit dem Umbau des Kinos beginnen sollen. „Wir wollen den Osnabrückern ein völlig neues Kino präsentieren. Hier bleibt nichts so wie es aktuell ist“, so Meinolf Thies. Das Multiplexkino soll nach den Vorstellungen der Betreiber mit der modernsten Technik ausgestattet werden. Der bisherige Standort an der Johannisstraße bleibt übrigens bestehen. „Am Hauptbahnhof wollen wir etwas komplett anderes machen als an der Johannisstraße. Die Kinos stehen nicht in Konkurrenz zueinander und sollen sich nicht gegenseitig kannibalisieren“, teilte Anja Thies mit. Während die Filmpassage mit ihrem Charme eher für jüngere Gäste attraktiv bleiben soll, planen Anja und Meinolf Thies am Hauptbahnhof Großes: „Das Kino soll hier deutlich exklusiver werden, Bisher fehlt in dieser Stadt eine High-End-Variante“, so Meinolf Thies.

Welche Umbaumaßnahmen konkret in Angriff genommen werden sollen, bleibt auch nach der Pressekonferenz zunächst ein Geheimnis. Klar ist jedoch, dass alle Teppiche entfernt werden, über die viele Kinobesucher in der Vergangenheit aufgrund angeblicher Verunreinigungen spotteten. Auch die Bestuhlung soll einer modernen Ausstattung weichen.

Der Vormieter, die Cinestar-Gruppe, hatte sich vor einigen Monaten nach Querelen mit dem Immobilieneigentümer auf ein vorzeitiges Ende des Mietvertrages geeinigt. Vorangegangen waren Differenzen darüber, wer dringend nötige Modernisierungsarbeiten in den Kinosälen übernimmt. Seinerzeit hatte das Cinestar für rund drei Monate geschlossen, ehe sich die Parteien auf einen Kompromiss einigten. Zu einer Liebesgeschichte sollte die Angelegenheit jedoch später nicht mehr werden. Im Mai wurde öffentlich: Cinestar verlässt Osnabrück.

René Angenend, Inhaber Firma RAn-Immobilienverwaltung aus Düsseldorf, der die Verwaltung des Komplexes für Bark Retail Osnabrück regelt, sprach von gleich mehreren Interessenten, die sich in den vergangenen Wochen als Betreiber ins Spiel brachten – sämtlich aus der Kinobranche. Den Vorzug erhielten jedoch schließlich Anja und Meinolf Thies, möglicherweise auch, weil diese schon vor einigen Jahren dem Vorbesitzer der Immobilie ein Nutzungskonzept vorlegten. "Für einen Komplex wie diesen ist der Ankermieter extrem wichtig, damit die Immobilie als solche funktioniert", sagte Angenend.

Künftig bespielen Anja und Meinolf Thies also 16 Leinwände in Osnabrück. Ihren Vorteil gegenüber Kinoketten wie Cinestar beschreiben sie wie folgt: „Bei uns gibt es extrem kurze Entscheidungswege. Lokale Ideen, die an uns herangetragen werden, versickern nicht einfach. Mittlerweile ist Kino vor allem ein lokales Geschäft, das man kreativ angehen muss. Da haben wir als Mittelständler viele Vorteile gegenüber den Ketten, sind einfach näher dran.“

Ähnlich wie bei der Filmpassage kann sich das Ehepaar auch andere Nutzungen als die des Kino vorstellen. Man wolle mehr bieten als eine reine Filmabspielstätte, so Anja Thies. Daher seien auch andere Nutzungen vorstellbar, so wie sie in den anderen Häusern der Betreiber schon üblich seien. "Wir haben bereits Kinosäle an Universitäten vermietet, aber auch an Ultras eines Fußballvereins. Denkbar ist Vieles", deutete Meinolf Thies an.

Kein Groll hegte Flemming Pallesen als Vertreter der Eigentümergesellschaft gegenüber dem Vormieter Cinestar. Allerdings sei irgendwann zu erkennen gewesen, dass die Cinestar-Gruppe eben nicht mehr der richtige Mieter für die Immobilie gewesen sei. Bei Anja und Meinolf Thies sei das anders: „Sie haben Feuer im Blut und arbeiten sehr professionell.“
 

Ein Kommentar von Sebastian Philipp

"Hall of Fame" könnte eine weitere Erfolgsgeschichte werden

Viele Menschen in Osnabrück dürften erleichtert sein: Anders als am Neumarkt droht einem der zentralen Plätze der Stadt – immerhin wichtigstes Einfalltor für Reisende und Pendler – kein Stillstand.

Dabei war das Cinestar-Aus zunächst ein Schock, denn der Kino-Markt ist in den vergangenen Jahren aufgrund des sich verändernden Medienverhaltens nicht einfacher geworden. Ein womöglich jahrelanger Leerstand hätte dem Bahnhofsvorplatz gar nicht gut zu Gesicht gestanden.

Dass dort mit Anja und Meinolf Thies lokale Akteure übernehmen, ist eine besonders gute Nachricht. Schon mit der einst belächelten Filmpassage haben sie bewiesen, dass sie ein Näschen für erfolgreiche Kinokonzepte haben. Mit kreativen Ideen, einem schlanken Management und nicht zuletzt der Nähe zur lokalen Kulturszene hat das Ehepaar in einem nicht einfachen Umfeld eine kleine Erfolgsgeschichte geschrieben.

Mit dem Engagement am Theodor-Heuss-Platz gehen die Thies zweifelsohne ein Risiko ein. Sie übernehmen das mit Abstand größte Kino der Stadt, müssen umfassend investieren. Mit ihrem Ansatz, kein „Kino von der Stange“ zu bieten, könnten sie allerdings etwas schaffen, das einem Großkonzern nicht gelungen ist: Den Standort zu einer echten Perle zu machen. Und anders als einem solchen Großkonzern ist ihnen Osnabrück auch nicht schnuppe – Ex-Centerinvestor Unibail-Rodamco-Westfield lässt grüßen.


Quelle: NOZ / Foto: David Ebener